Modulbauweisen für ein umweltgerechteres Bauen

Claus Berndorfer, Firmengruppe Max Bögl, und Anton Braun,
Vorstand SSF Ingenieure AG, im Gespräch über die Vorteile
segmentierter Bauweisen für den Umweltschutz.

Claus Berndorfer (links) und Anton Braun (rechts) im Gespräch über modulares Bauen.

 

Herr Berndorfer, wie lange sind Sie schon bei Max Bögl beschäftigt und welche Aufgaben verantworten Sie?

» Claus Berndorfer: Ich arbeite seit circa 20 Jahren für Max Bögl und bin seit ungefähr 5 Jahren für Produktentwicklung und Innovation im Bereich Infrastruktur verantwortlich.

Sie haben sicherlich einen guten Einblick in den Zustand unseres Straßen- und Schienennetzes. Wie würden Sie es beschreiben?

» Claus Berndorfer: Die Situation ist bei beiden sehr ähnlich, es besteht sowohl bei der Straße als auch bei der Schiene ein großer Erneuerungs- und Sanierungsbedarf. Es wurde bei beiden in den letzten Jahrzehnten zu wenig in den Erhalt investiert. Nach der Deutschen Einheit lag der Fokus der Investitionen zu Recht auf den neuen Bundesländern, denn dort war der Nachholbedarf am größten. Allerdings fehlte in der breiten Öffentlichkeit das Bewusstsein, dass auch die Straßen und Brücken in den alten Bundesländern nicht für die Ewigkeit gebaut sind. Der stark gestiegene Schwerlastverkehr auf den Straßen hat den Alterungsprozess der hierfür nicht konzipierten Brücken noch beschleunigt. Den Schienenverkehr hat man bis vor einigen Jahren, zumindest im Nahverkehrsbereich, als Auslaufmodell betrachtet und entsprechend wenig investiert.  Strecken wurden eher stillgelegt als modernisiert, Industriegleise zurückgebaut. Hier findet derzeit ein einschneidender Paradigmenwechsel statt.

Sehen Sie im Hinblick auf die vielen notwendigen Brückenerneuerungsmaßnahmen in Deutschland weitere Ansätze, um die Baumaßnahmen nachhaltiger und schneller zu machen?

» Claus Berndorfer: Ja, man muss vor allem bei den Genehmigungsverfahren, dem Baurecht und dem Vergaberecht ansetzen. Man sollte weg von einem Preis- hin zu einem Entwurfswettbewerb mit ausgewogenen und fairen Vertragsbedingungen. Das heißt, wer die cleverste Idee zur Lösung einer Bauaufgabe hat, erhält den Zuschlag. Dabei müssen neben dem Preis auch Bauzeit und Nachhaltigkeit als Bewertungsfaktoren einfließen. Leider hat hier das Einspruchswesen zu einem gewaltigen Rückschritt beigetragen.

» Anton Braun: Das stimmt! Bis Mitte der 2000er-Jahre war es üblich, dass ein Unternehmen entweder dem Verwaltungsentwurf folgte oder ein Nebenangebot abgab, das nicht nur die Aufgabe erfüllte, sondern auch zusätzliche weitere Vorteile mit sich brachte. Daraufhin wurden jedoch immer wieder Einsprüche eingelegt, die die Realisierung des Objektes verzögerten. Das hatte zur Folge, dass die Verwaltung alle Nebenangebote unterband. Dies schadet den Projekten und der Innovationskraft der deutschen Bauindustrie. Deshalb sollte man Nebenangebote wieder zulassen, aber die Einspruchsmöglichkeiten drastisch reduzieren und vorhandene Einsprüche zügig prüfen.

Welche Herausforderungen sehen Sie für sich persönlich als Bauingenieur und für die Bauschaffenden im Hinblick auf die dringende Umsetzung der THG-Reduzierung auch im Bauwesen?

» Claus Berndorfer: Zunächst muss die Qualität der Bauteile und Baustoffe gesteigert werden, sodass sie eine längere Lebensdauer haben. Ferner sollten wir unsere Bauwerke nicht mehr als Monolithen konstruieren, bei denen das Versagen eines Bauteils gleich das Ende für die Gesamtkonstruktion bedeutet. Wir sollten uns einer segmentierten Bauweise zuwenden, bei denen einzelne Bauelemente im Bedarfsfall ausgetauscht werden können. Äußerst wichtig ist außerdem ein sinnvoller Materialeinsatz. Früher, als Baustoffe noch knapp waren, hat man sie nur dort eingesetzt, wo sie tatsächlich erforderlich waren. Das müssen wir wieder aufnehmen. Auch die Verwendung klinkerreduzierter Betone ist wichtig. Diesen vielen Herausforderungen wird man am besten durch Vorfertigung gerecht, denn dort stehen sowohl qualitativ hochwertige Baustoffe zur Verfügung als auch die Möglichkeit, durch industrielle Fertigungsmethoden bessere Bauteilqualitäten zu erreichen.

Wie weit ist man in dieser Hinsicht schon?

» Claus Berndorfer: Es gibt Länder, die schon sehr fortschrittlich sind. So werden zum Beispiel in den Niederlanden schon zirkuläre Brücken im Sinne des Cradle-to-Cradle-Gedankens gebaut. In Deutschland sind wir noch nicht ganz so weit, doch wir machen uns langsam auf den Weg. Ich habe große Hoffnungen, dass wir darin bald erfolgreich sind. Max Bögl ist im Bereich Vorfertigung, zirkuläres Bauen und beim Einsatz klinkerreduzierter Betone deutschlandweiter Vorreiter.

Welche Maßnahmen sehen Sie als sinnvoll an, um den Fokus mehr und schneller auf die Reduzierung des CO2-Ausstoßes zu richten?

» Claus Berndorfer: Da gibt es eine ganze Reihe. Neben den bereits genannten ist die Verkürzung der Bauzeit ein wichtiger Aspekt. Baustellenbedingte Staus führen teilweise zu höheren CO2-Ausstößen als die Baustelle selbst. Zudem sollte man einen Blick auf die Baufahrzeuge werfen. Aktuell sind sie oft dieselbetrieben, man könnte sie aber durch elektrobetriebene ersetzen. Hier muss die öffentliche Hand finanzielle Anreize schaffen, wie sie es im Privatbereich ja schon getan hat. Auch die Optimierung von Bauteildimensionen in Kombination mit effizientem Einsatz von Baustoffen muss in den Fokus gerückt werden. Hierzu müssen sowohl die bestehenden technischen Normen, Richtlinien, Vorschriften als auch die Genehmigungsverfahren für neue Bauarten inklusive UIG- und ZiE-Verfahren, was Inhalt und Zeitschiene betrifft, überdacht werden.

» Anton Braun: Und dieser Aspekt sollte in die Ausschreibungsunterlagen aufgenommen werden. Denn nur, wenn die gleichen Wettbewerbsvoraussetzungen gegeben sind, kann ein umweltfreundliches Unternehmen auf dem Markt bestehen.

Welche Vorteile hat der Modulbau für die Verkehrsführung?

» Anton Braun: Die Fertigteilbauweise sorgt für kürzere Bauzeiten, weil ein Großteil der Arbeit im Werk stattfindet. So lassen sich vor Ort die Stauzeiten reduzieren, was sich positiv auf die Umwelt auswirkt.

Denken Sie, dass sich die Modulbauweise im deutschen Verkehrswegebau flächendeckend durchsetzen kann? Warum?

» Claus Berndorfer: Ja, davon gehe ich aus, weil sie die aktuellen Anforderungen sehr gut löst. Wir haben bei Max Bögl den Vorteil, die Dinge lange im Vorfeld anzugehen. So haben wir schon an der Modulbauweise für Verkehrswege gearbeitet, ehe überhaupt jemand daran dachte, dass man die Bauzeit reduzieren muss, um CO2 einzusparen.

» Anton Braun: Und nicht nur beim CO2-Einsparen, auch in der Bautechnik und angesichts des Fachkräftemangels bietet die Modulbauweise einen großen Vorteil. Man findet heute kaum noch Mitarbeiter, die bereit sind, auf Montage zu fahren. In einem Fertigteilwerk lassen sich die Anforderungen von Familie und Beruf wesentlich besser vereinbaren. Und wenn die Baustelle zudem noch weit weg ist, wird während der Anfahrt weiteres CO2 ausgestoßen!

Wo sehen Sie den Brückenbau in 10 Jahren?

» Claus Berndorfer: Ich gehe davon aus, dass auf deutschen Baustellen mehr montiert und weniger betoniert wird. Das Entstehen von Baufabriken zur Vorfertigung wird die Konsequenz sein.

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Teammagazin 10